KI in der Reisebranche: „Booking.com“s KI-Strategie und was Unternehmer daraus lernen können

A website header displays the text "KI in der Reisebranche" in bold white sans-serif font against a blurred background showing an airport terminal interior. The background features check-in counters with airline logos, automated kiosks with digital displays, and passengers with rolling luggage walking past large floor-to-ceiling windows. Natural light streams through the windows, illuminating the modern terminal's polished floors and steel architectural elements. A simplified robot icon appears to the left of the text, rendered in clean white lines to match the typography. Modern web design photography with depth of field blur effect and balanced composition emphasizing typography against architectural elements.

Wenn ein Gigant wie Booking.com, der jährlich eine Milliarde Übernachtungen vermittelt, über Künstliche Intelligenz spricht, hören wir in der IT-Branche ganz genau hin. Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, mir die Gedanken von James Waters, dem Chief Business Officer von Booking.com, anzuhören. Und was ich gehört habe, ist ein faszinierender Einblick in eine der pragmatischsten und gleichzeitig weitreichendsten KI-Implementierungen, die ich gesehen habe.

Waters, der selbst eine beeindruckende Karriere vom Aushilfs-Rezeptionisten zum CBO hingelegt hat, bringt eine erfrischend bodenständige Sicht auf das Hype-Thema KI mit. Für ihn ist KI kein magischer Selbstzweck, sondern ein mächtiges Werkzeug, um ein Kernproblem zu lösen: die enorme Komplexität und den Stress bei der Reiseplanung zu reduzieren. Schauen wir uns also an, wie Booking.com das genau macht und was jeder Unternehmer davon lernen kann.

Die Vision: Der nahtlose „Connected Trip“

Die Kernstrategie von Booking.com lässt sich in zwei Worten zusammenfassen: „Connected Trip“. Das Ziel ist es, die gesamte Reisekette – von der vagen Inspiration über die Buchung von Flügen, Hotels und Attraktionen bis hin zur Bezahlung und dem Support während der Reise – zu einem einzigen, fließenden Erlebnis zu verbinden.

A vintage-style travel agency storefront with "KI in der Reisebranche" text in bold black letters displayed prominently above the entrance. The storefront features large windows displaying colorful travel posters of exotic destinations. A wooden door with brass handles stands between the windows, and a striped red and white awning extends over the sidewalk. Potted plants flank the entrance, and an old-fashioned globe sits in the window display. Commercial architectural photography with natural daylight and straight-on perspective captures fine details of the building facade.

In der Praxis bedeutet das: Die KI soll wie ein persönlicher Reise-Concierge agieren, der nicht nur auf Befehle wartet, sondern mitdenkt. Wenn Ihr Flug Verspätung hat, könnte die KI proaktiv prüfen, ob Ihr Mietwagenschalter länger geöffnet hat oder dem Hotel Ihre spätere Ankunftszeit mitteilen. Das ist keine Zukunftsmusik, sondern das erklärte Ziel, das die technologischen Entscheidungen heute leitet.

Vom Filter-Chaos zum intelligenten Dialog: So funktioniert die KI-Suche wirklich

Die sichtbarste KI-Anwendung ist die neue Suche in natürlicher Sprache.
Anstatt sich durch Dutzende von Filtern zu klicken
(- „Pool: ja“,
– „Entfernung zum Strand: <1km“,
– „Bewertung: >8.0“)
, können Nutzer jetzt einfach formulieren, was sie wollen:

„Ich suche ein familienfreundliches Hotel in der Toskana mit Pool und guten Bewertungen für August.“

Hier passiert im Hintergrund etwas Faszinierendes:

  1. Intent Recognition: Die KI (ein Large Language Model, kurz LLM) zerlegt diesen Satz und versteht die Absicht hinter den Worten. „Familienfreundlich“ ist mehr als nur ein Filter; es impliziert Bedürfnisse wie Kinderbetten, sichere Umgebung oder Spielplätze.
  2. Entity Extraction: Das System extrahiert die harten Fakten: „Toskana“ (Ort), „Pool“ (Ausstattung), „August“ (Zeitraum).
  3. Semantic Search: Die KI übersetzt diese Wünsche in eine komplexe Abfrage an die riesige Booking.com-Datenbank. Dabei werden nicht nur exakte Treffer gesucht, sondern auch semantisch ähnliche. Ein „ruhiges Hotel“ könnte zum Beispiel eines sein, das in den Bewertungen oft als „entspannt“ oder „abgelegen“ beschrieben wird.

Das ist der entscheidende Sprung von einer reinen Datenbankabfrage zu einem echten Verständnis des Nutzerwunsches.

Gut zu wissen aus meiner Praxis: Das „Build vs. Buy“-Dilemma:
Viele Unternehmer fragen mich: „Muss ich jetzt eine eigene KI bauen?“

Die Antwort von Booking.com ist ein klares Nein. Waters betont, dass sie ihre LLMs nicht selbst entwickeln.
Das wäre, als würde ein Formel-1-Team anfangen, seine eigenen Motoren von Grund auf zu schmieden.
Stattdessen tun sie, was jeder smarte Unternehmer tun sollte: Sie nehmen einen hochleistungsfähigen Standardmotor (die LLMs von Partnern wie OpenAI oder Google) und bauen darum herum ein spezialisiertes Rennauto.
Ihr „Chassis“, ihre „Aerodynamik“ – das sind ihre einzigartigen, über Jahrzehnte gesammelten Reisedaten. Sie veredeln die Basis-KI mit ihrem eigenen Fachwissen. Das ist die Lektion für jedes KMU: Nutzt die verfügbaren KI-Werkzeuge und füttert sie mit eurer einzigartigen Branchenexpertise. Dort entsteht der wahre Wettbewerbsvorteil.


Eine Infografik, die einen Automotor mit der Aufschrift "OpenAI/Google LLM" zeigt. Von diesem Motor gehen Pfeile zu Bauteilen wie "Chassis (Reisedaten)", "Aerodynamik (Kundenbewertungen)" und "Cockpit (Nutzerinterface)", die zusammen ein fertiges, einzigartiges Fahrzeug (z.B. einen Rennwagen mit Booking.com-Logo) ergeben.

Effizienz für Partner: Die unsichtbare Revolution im Hintergrund

Ein oft übersehener Aspekt ist, wie KI den Partnern von Booking.com hilft – also den Tausenden von kleinen, unabhängigen Hotels. Diese haben oft nicht die Ressourcen für einen 24/7-Kundenservice.

Hier setzt Booking.com KI ein, um eingehende Gästeanfragen zu analysieren und dem Hotelier automatisch eine passende Antwort vorzuschlagen. Der Hotelier prüft diese nur noch kurz und kann mit einem Klick antworten. Das spart enorm Zeit und hilft kleineren Anbietern, mit den großen Ketten mitzuhalten. Es ist ein perfektes Beispiel dafür, wie KI nicht nur dem Endkunden, sondern dem gesamten Ökosystem dient.

Herausforderungen: Zwischen Innovation, Regulierung und Kultur

Waters ist aber auch Realist. Er benennt klar die Hürden:

  1. Regulierung: Besonders in Europa mit dem AI Act muss ein Gleichgewicht zwischen Innovation und verantwortungsvollem Einsatz gefunden werden. Man kann nicht einfach lospreschen, sondern muss ethische Leitplanken und Transparenz von Anfang an mitdenken.
  2. Kosten und Performance: Die besten KI-Modelle sind teuer im Betrieb. Man muss genau abwägen, wo sich der Einsatz eines komplexen Modells lohnt und wo eine einfachere, günstigere Lösung ausreicht. Nicht jedes Problem braucht den KI-Vorschlaghammer.
  3. Kulturwandel: Die größte Herausforderung ist oft intern. Man muss die Mitarbeiter mitnehmen, Ängste vor Jobverlust abbauen und eine Kultur des Lernens und Experimentierens schaffen.

Fazit & Ausblick

Die KI-Strategie von Booking.com ist ein Meisterstück des Pragmatismus. Sie zeigt, dass die KI-Revolution nicht darin besteht, eine Super-Intelligenz zu bauen, sondern darin, bestehende Technologien klug zu nutzen und mit dem wertvollsten Gut zu kombinieren, das ein Unternehmen besitzt: seinem eigenen, tiefen Fachwissen.

Für uns Unternehmer bedeutet das: Analysieren Sie Ihre Prozesse. Wo haben Ihre Kunden Stress? Wo verlieren Ihre Mitarbeiter Zeit? Genau dort kann KI heute schon ansetzen und den entscheidenden Unterschied machen. Die Reise hat gerade erst begonnen.


FAQs

Ersetzt KI den Menschen in der Reisebranche?

Nein, das Ziel ist nicht, den Menschen zu ersetzen. Laut James Waters von Booking.com soll KI als Werkzeug dienen, um menschliche Interaktionen zu verbessern und Reiseerlebnisse persönlicher und reibungsloser zu gestalten.

Wie nutzt Booking.com generative KI schon heute?


Booking.com setzt generative KI für eine smarte Suche in natürlicher Sprache ein, bei der Kunden ihre Wünsche frei formulieren können. Außerdem wird ein KI-Assistent zur Reiseplanung und ein Chatbot zur Beantwortung von Kundenfragen genutzt.

Muss jedes Unternehmen sein eigenes KI-Modell entwickeln?

Nein, das ist nicht nötig. Booking.com selbst baut nicht an den Basis-Sprachmodellen, sondern nutzt die Technologie von Partnern wie OpenAI oder Google und reichert diese mit eigenen, branchenspezifischen Daten an, um einen Mehrwert zu schaffen.

Was denken Sie darüber?

Wo sehen Sie in Ihrer Branche das größte Potenzial für KI, um Prozesse einfacher und kundenzentrierter zu gestalten? 

Marc Juncke

Unternehmensberater IT

Der Experte, wenn es um Digital-Dienstleistungen für klein- und mittelständische Unternehmen geht.

Marc Juncke


Professionelle IT-Beratung in Köln

Der Experte, wenn es um Digital-Dienstleistungen für klein- und mittelständische Unternehmen geht.